In dem Bestreben, drängende globale Herausforderungen wie die Verschmutzung durch Plastik anzugehen, unternehmen Menschen wie Hendrik Kappe proaktive Schritte, um einen spürbaren Unterschied zu machen. Kürzlich stürzte sich Kappe in das Herz des lokalen Projektes „WON BEE Ga Ba!“, das er bereits seit drei Jahren von Deutschland aus unterstützt.
Die vorrangigen Projektziele sind, Plastikmüll an den Stränden von Accra in Ghana zu sammeln und zu recyceln. Zusammen mit dem engagierten Projektleiter Claas Wiechmann und anderen wichtigen Projektunterstützer*innen tauchte Kappe in die lebendige Welt Accras ein, um sich aus erster Hand ein Bild von der Müll-Situation zu machen.
Die Problemsituation war komplexer und weiter verbreitet als erwartet
Die Projektunterstützer erfuhren, dass es zum Verständnis und Engagement bei der Umsetzung des Projekts darauf ankommt, die Lage vor Ort direkt zu erleben. Deshalb begaben sie sich auf eine Reise, mit der sie tief in die Realität der (Kunststoff)abfallwirtschaft in Accra eintauchten. Was sie entdeckten, ging über das hinaus, was aus der Ferne zu erkennen war. Die Problemsituation vor Ort war nicht nur komplexer, sondern auch weiter verbreitet als erwartet und stellte eine vielschichtige Herausforderung dar. Dies zeigte sich beispielsweise an einer ein Hektar großen Lagune: Seit bereits drei Jahren befreien zehn kräftige junge Männer diese von oberflächlichem Plastik, seit sechs Monaten unterstützt durch weitere 50 Personen einer weiteren NGO. Der Müll muss in die drei Kategorien getrennt werden: wiederverwertbar, bedingt wiederverwertbar und Restmüll. Dann ist der Abfall an unterschiedliche Stätten zu transportieren. Dabei gibt es keine Mülltonnen, keine Container, keine Müll-Logistik, keine LKW. Zusätzlich ist der Strandabschnitt nicht zuflussfrei. Das bedeutet, die Relikte des täglichen Lebens fließen sowohl mit der Flut aus dem Meer als auch aus kleinen Kanälen, die hier mit dem Müll einer Schule, einer Kirche und diverser Strandlokale angefüllt sind, ungefiltert nach.
Recycling in Accra bedeutet, dass die (teil)wiederverwertbaren Stoffe wie Plastikbeutel, Flaschen etc. händisch zu Rezyklaten werden. Der Prozess ist langsam, die Produkterstellung experimentell. Jeder versucht, auch noch aus Plastik, das hier in Europa als nicht-recyclebar eingestuft wird, eine Wiederverwenbarkeit zu generieren.
Die afrikanische Kultur einbinden
Dabei soll es nicht bleiben. Insbesondere die Menschen in den direkten Einzugsgebieten um Accra sollen erkennen, was ein sauberer Strand ermöglichen kann, und sie sollen dann, soweit möglich, zur Vermeidung der Vermüllung aktiv beitragen. All das erfordert ein afrikanisches Verständnis vom täglichen Leben und die durchaus sinnhafte Einbindung von Kultur und Musik sowie die Vernetzung und Unterstützung von lokalen Startups. Bei den Ga, die insbesondere im Strandbereich leben, ist das tägliche Mantra „Small, small we go.“ Im Kleinen langfristig einen Unterschied zu machen, ist die tägliche Devise – und das gilt ebenso für die Mammutaufgabe der Plastiksituation.
Zwei Wochen lang in den Alltag der von Plastikmüll Betroffenen einzutauchen, war für Kappe nicht nur augenöffnend, sondern auch zutiefst berührend. Die Zusammenarbeit mit Personen, die sich täglich mit den Realitäten der Abfallwirtschaft auseinandersetzen, lieferte unschätzbare Einblicke in die Feinheiten des Themas. Es zeigte sich, dass es weder machbar noch effektiv ist, der lokalen Gemeinschaft mit fremden Standards zu begegnen.
Chancen und Schwierigkeiten im Arbeitsprozess
Die aktiven Plastiksammler können damit ihren Lebensunterhalt nicht verdienen. So lohnt es sich für sie, sich in Bezug auf Recycling und Abfallwirtschaft fortzubilden. Lernen in Accra ist praktisch. Dies zeigt das Beispiel einer recycelten Kunststofflatte: Abschneiden der Kappe und des Ringes von den Flaschen, Entfernen der Etiketten, Sortieren sowie Aufbereiten der verschiedenen Kunststoffe in Granulate durch eine händisch bediente Maschine. Dann erfolgen das Mischen und Aufschmelzen der Granulate sowie das Verschrauben der Werkzeuge. Dies alles findet mit sehr geringem Arbeitsschutz statt, so dass das Lernen auch darin besteht, was beachtet werden muss, um sich und andere nicht zu verletzen.
Eine Prozesseffizienz kann an einem solchen Ort kaum stattfinden, weil es zu viele Neulinge gibt, die sich ungeschützt nur verletzen würden. Es gibt Stromausfälle, die händische Arbeitsschritte in dem Moment priorisieren. Auch sind nicht immer alle Grundstoffe zur Verfügung, um nur einige Gründe zu nennen, weshalb das Arbeiten hier erschwert ist. Und: Familie geht vor. Da häufig die Familien die Versorgung von Kranken und Älteren übernehmen oder bei akuten Schwierigkeiten intervenieren, müssen ihre Mitglieder auch dann zur Verfügung stehen, wenn eigentlich Arbeitszeit ist. Das führt zu Verschiebungen im Ablauf. Gegenseitige Hilfestellung, Unterstützung und gemeinsames Tun stehen im Vordergrund, nicht ein schnelles Ergebnis.
So gewann Kappe ein tieferes Verständnis für die Notwendigkeit, Interventionen auf den einzigartigen Kontext der Region zuzuschneiden.
Mitarbeit des Projektteams entscheidend für effektive Sofort-Maßnahmen
Trotz der Herausforderungen war Kappes Erfahrung auch von Inspiration und Hoffnung geprägt. Durch die aktive Teilnahme an Aufräumarbeiten, die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und mit Interessengruppen konnten Kappe und sein Team Bereiche identifizieren, in denen sofortige Maßnahmen ergriffen werden konnten, um eine sinnvolle Wirkung zu erzielen. Schon von der Anschaffung eines Tricycles (Dreirads) beispielsweise profitiert das gesamte Projekt: Die Entsorgung ist gesichert, denn für das Einsammeln von verwertbarem Plastik bei lokalen Veranstaltungen können nun Tonnen genutzt werden, da ein Transport sofort möglich ist. Und nicht zuletzt können Musikveranstaltungen wie ein „Wonbeegaa Ba!“-Lauf durch die Straßen mit einer Musikanlage auf dem Gefährt sattfinden.
Von der Umsetzung der Recyclinginitiativen bis hin zur Förderung von Aufklärung und Bewusstsein in der Bevölkerung ist der praktische Ansatz von Kappe ein Beispiel, wie positive Veränderungen effektiv herbeigeführt werden können.
Fazit
Letztendlich unterstreicht die Erfahrung von Hendrik Kappe in Accra die Bedeutung von Empathie, Zusammenarbeit und lokalem Engagement bei der Bewältigung globaler Herausforderungen. Durch das Eintauchen in die Realität dieser Situation können somit Einzelpersonen und Organisationen ein tieferes Verständnis für die anstehenden Probleme erlangen und auf nachhaltige Lösungen hinarbeiten, die Gemeinschaften weltweit zugutekommen.